Cannabis & Kreativität: Die medizinische Kunst?
Was ich über Cannabis und Kunst schreibe und insbesondere Cannabis und Kreativität ist kein Beanspruchen von irgendwelchen Fakten, auch wenn Einflüsse aus Studienergebnisse zu Cannabis, Kreativität und Ideen-Originialität hier mit einfließen. Vielmehr geht es mir darum, einen Mindestansatz an Evidenz zu erstellen und darauf aufbauend meine subjektive Wahrnehmung meiner Cannabis-Erfahrungen und Kunst auf diesem Fundament zu sockeln. Ich bin Cannabis-Patientin und nehme die Stigmatisierungsfrage sehr ernst, daher würde es meinem Anspruch nicht genügen, nur über Cannabis und Kreativität haltlos zu postulieren, sondern die Vor- und Nachteile der Cannabis-Anwendung beim Kunst-Schaffen zu eruieren und meine Erfahrungen hineinfließen zu lassen. Wer sich nicht mit den Studieninhalten zu Cannabis und Kreativität beschäftigen möchte und direkt zu meinem Erfahrungswert springen möchte, benutzt dazu den folgenden Button:
Was Cannabis und Kreativität vereint und scheidet
Um den Einfluss von Cannabis in Bezug auf kreatives Potential zu erforschen, ist es zunächst notwendig, das Phytocannabinoid-Spektrum der Cannabispflanze in ihrer Wirkung abzugrenzen zu zu erklären, was Kreativität in Bezug auf Cannabis überhaupt bedeuten mag.
Cannabinoide, Terpenoide und deren Wirkung auf das Gehirn
Klar ist, dass Cannabis aufgrund individueller Endocannabinoid-Systeme der Rezeptoren CB1 und CB2, also das menschliche Pendant zu pflanzlichen Cannabinoiden (Phytocannabinoide) wie das psychoaktive THC und das anti-psychotische CBD, bei jedem Menschen unterschiedlich wirkt. In der bisher noch recht inevidenten Studienformung um den sogenannten Entourage Effekt bei Cannabis wäre es auch möglich, dass verschiedene Terpenoide, also Terpene wie Myrcen (in Mangos enthalten) oder Linalool (in Lavendel zu erriechen), die auch in Cannabis vorkommen, eine Wechselwirkung in der psychoaktiven Wirkung begünstigen. Sie stehen unter Verdacht, das im Freizeit-Konsum als „High“ beschriebene berauschende Gefühl von THC beispielsweise, zu regulieren. D. h. Myrcen wäre in der Lage, die Wirkung von THC auf das Gehirn zu beeinflussen, da Terpene eine ganz eigene Wirkung besitzen und, ähnlich wie Cannabidiol (CBD) funktionell antagonistisch auf den typischen THC Rezeptor CB1 wirkt, sich selbst in das Endocannabinoidsystem einbringen können. Konzentrationen von Terpenoiden über 0.005 % gelten als pharmakologisch interessant (Adams and Taylor, 2010) und Tierstudien (Buchbauer et al., 1993) mit Mäusen, die Terpenoide inhalierten, deuteten Effekte an, mit denen ein Effekt auf das Gehirn untersucht wurde. [1]
Das bedeutet jedoch auch, dass viele Terpene in Cannabis, da sie unter dieser Konzentration liegen, keine Wirkung in Bezug auf die Cannabis-Anwendung hervorrufen würden. Aus diesem Grund ist der Entourage Effekt auch kritisch zu bewerten, eine Wirkung ist jedoch nicht ausgeschlossen, da es durchaus unterschiedliche Cannabis-Sorten gibt, die anders auf das Gehirn wirken könnten, obwohl sie beispielsweise den selben Wirkstoffgehalt an Cannabinoiden enthalten. Dass Terpene überhaupt mit dem Endoicannabinoidsystem interagieren liegt daran, dass sie sich aus molekularer Sicht denselben Vorläufer mit Cannabinoiden teilen [1], also phytologisch betrachtet eng verwandt sind. Wer einmal nach der Cannabis-Anwendung ein paar Stücke Mango zu sich genommen hat, wird womöglich eine Veränderung des Cannabis-Effekts auf die Psyche wahrgenommen haben. Da Terpenen selbst medizinische Wirkweisen zugesprochen werden, wählen spezialisierte Cannabis-Ärzte Sorten aus, die auf das Krankheitsbild der Patienten abgestimmt sind – es ist daher kein Wunder, dass es über 80 verschiedene Präparate in den Apotheken gibt (Stand 2022).
Cannabis und Kreativität als Inspirationswelt
Der Einfluss von chronischen Cannabis-Konsumenten auf kognitive Fähigkeiten, also Probanden in Studien, die sich nicht direkt auf die medizinische Nutzung beziehen, erschließe, sie seien impulsiver und assoziativer, denken abstrakter und finden dadurch Querverbindungen in komplexen gedanklichen Umgebungen. [2]
Die Studienführenden einer Untersuchung zu Cannabis und Kreativität legen nahe, Cannabis-Konsumenten seien in ihrer Umsetzungsfreudigkeit beeinträchtigt, da das Studienmodell nach Runco and Chand’s model of creative thinking [3] geformt ist und anhand von unternehmerischer Motivation und Erfahrung den Zusammenhang mit dem Ideenreichtum bei Cannabis-Anwendern schließt. Das Modell geht davon aus, dass kognitive Grundlagen für die Kreativität durch Motivation und Wissen prägbar und geprägt sind. Die Studie stellt die Theorie auf, dass Cannabis-Konsumenten im Gegensatz zu ihrem abstinenten Pendant eine höhere Originalität in Ideen hervorbringen würden, aber darin oder in ihrer Planung eine geringere Realisierbarkeit nahe läge. Diese Behauptung hinge aber auch davon ab, welchen Erfahrungswert im Unternehmertum sie an diese Ideen und Plänen mit heranbringen würden. [2]
Studienergebnisse zu Cannabis und Kreativität
Abschließend hatte diese Studie herausgefunden, dass die cannabinoide Kreativität, gemessen also an Ideenoriginalität und -quantität und ihrer Realisierbarkeit, mit angeborenen Eigenschaften und der unternehmerischen Erfahrung dazu führt, dass Ideen grundsätzlich und wie angenommen in ihrer Realisierbarkeit abnehmen. Dieser Effekt ließe sich jedoch bei einem höheren Maß an unternehmerischer Erfahrung (z.B. in der Gründung) abfedern. Umgekehrt ist die unternehmerische, also wirtschaftlich-logisch geleitete Leidenschaft zum Erfinden wie ein Hebel, der auch die psychischen bzw. kognitiven Vorteile und Nachteile von Cannabis-Effekten verstärken könnte. Die grundlegende Motivation und Erfahrung/Wissen im Umgang mit dem substanzbefächerten Ideenreichtum seien also entscheidend für das Maß an Kreativität, das Cannabis fördere.
Aber es ist auch erkennbar, dass Cannabis nicht ohne diese Faktoren einfach kreativ macht. Grundlagen, angeborene Eigenschaften und Training im Umgang mit projektierten Ideen bilden den Baustein der Cannabis-Kreativität, an der THC andockt und eben nicht diese Bausteine erzeugt.
Es seien jedoch weitere Studien nötig in der Untersuchung, welche Wirkung Cannabis auf die Kreaivität haben könnte. Diese Annahme ist vor allem dadurch zu unterstreichen, dass sie anhand von Blutwerten mit Delta-9-THC-Gehalt mindestens ein Konsum-Kriterium eingegrenzt hat. Weitere Kriterien waren, wie häufig Cannabis unter den Probanden angewendet wurde. Auf dieser Grundlage war entschieden, dass 120 Befragte als Cannabiskonsumenten eingestuft wurden (47,2 % der Stichprobe) und 134 Befragte als Nicht-Konsumenten (52,8 % der Stichprobe). Im Durchschnitt gaben die Cannabis-Konsumenten den Studienführenden an, in der letzten Woche 4,52 Mal (Standardabweichung = 2,44) und 19,58 Mal im letzten Monat (Standardabweichung = 10,64) konsumiert haben. 92 Personen der Cannabis-Konsumenten (76,7 %) waren tägliche oder fast tägliche Freizeitkonsumenten, d. h. sie haben mindestens 3 bis 4 Tagen pro Woche Cannabis in irgendeiner Form angewendet. Und genau in diesen Kriterien liegt die Kritik an der Studie und weshalb ich in differenzierter Weise von Konsumenten und Anwendern spreche; wenn ein Freizeitkonsum vorliegt, ist die tatsächliche Wirkstoffzusammensetzung des angewendeten Pflanzenmaterials schwer einzuschätzen, da sich auch synthetische, psychoserisikobehaftete Cannabinoide [4] im Straßen-Cannabis befinden könnten, und ein unkontrollierter Konsum ist eben nicht auf den medizinischen Nutzen von Cannabis für die Psyche zu vergleichen. Cannabis und Kreativität in Bezug auf Cannabis-Patienten böte eine Grundlage für Studien, die sich mit einer hohen Sicherheit an reinen Cannabis-Präparaten zufriedenstellen dürfte und die vorlegt, dass negative Effekte wie Trägheit durch die ärztliche Anweisung reduziert werden könnten. Daher, durchaus ist die Evidenz um Cannabis und Kreativität noch weiter auszubauen, wenn ich mich also nur auf diese bisherigen Studienergebnisse beziehen müsste, würde ich diese aus meiner eigenen Erfahrung jedoch unterstreichen – zumindest bis ich Cannabis-Patientin geworden bin.
Cannabis-Kreativität und Kunst durch Cannabis-Medizin
Ich möchte diesen Beitrag auch nutzen, um mich als Autorin etwas anfassbarer zu machen und zu demonstrieren, wie ich zunächst unter der Prohibition, dem kriminellen Stigma von Cannabis gelitten habe und wie ich dies in meinem Schaffen ausdrückte. Denn ich kam vor meiner medizinischen Eingliederung nur durch unkontrollierten Kontakt mit Cannabis in Berührung, was nicht freiwillig geschah und aufgrund meiner Grundkrankheit Tic-Tourette buchstäblich aus einem Zwang heraus geschah. Da das harte Diagnosewort nun gefallen ist, mag man sich in etwa vorstellen, inwiefern Cannabis für Kunst und mich seither einen wichtigen Bestandteil ausgemacht hat, dem ich es überhaupt zu verdanken habe, dass ich mich konzentriert in meine Schreibwelten vertiefen kann. Ein wichtiger Schritt in die medizinische Welt habe ich dann gemacht, als ich mir meine zunächst sehr oberflächliche Cannabis-Expertise rund um verschiedene Darreichungsformen (orale Anwendung, Verdampfen, etc.), Dosierungen und Wirkstoffzusammensetzungen mit Bücherun um medizinisches Cannabis anlas. Sehr empfehlen kann ich zum Einstieg übrigens „Cannabis als Medizin“ von Michael Backes da hier auch unter anderem die Geschichte von Cannabis als Medizin erläutert wird und die verschiedenen Wirkstoffe, sowie ihre Nutzbarkeit bei bisher mit Cannabis-Anwendung erforschten Indikationen.
Nach erweiterter Recherche machte ich mir bewusst, dass die Dosierung für mich ausschlaggebend ist, um meine Kreativität sensibel zu halten. Denn übermäßige Dosierungen über einen längeren und regelmäßigen Zeitraum können das dopaminerge System schädigen. Das bedeutet, dass anhaltende THC Konzentrationen im Blut durch das Überwinden der Blut-Hirnschranke die dopaminergen Neuronen überlasten können und das Nervensystem an dieser Stelle in eine irreversible oder vorrübergehende kreative Taubheit bannt. [5]
Da ich langsam bemerkte, wie eine Toleranz bei mir einsetzte, wollte ich nicht auf höhere Dosierung per Selbstversuch einsteigen, demnach entschied ich mich, Medizinisches Cannabis auf Privatrezept anzuwenden und mit der ärztlichen Anweisung veränderte sich schlagartig auch mein Lebensgefühl und die Trägheit, die zuvor mit der unkontrollierten Anwendung einher ging. Plötzlich hatte ich viel mehr Motivation zu schreiben als ich dies ohnehin bereits tat, mehr Energie um zu Malen, mehr Antrieb allgemein in kreativem Schaffen; ich war bereit, meinen Fokus in Kreativität zu investieren und mich selbst zu verwirklichen. Etwas, dass ich ohne medizinisches Cannabis nie wirklich gewagt hätte, da mich andere Medikamente eher lethargisch eindrückten.
Cannabis und Kreativität: Zwischen divergentem & konvergentem Denken
Speziell bezogen auf verbal wahrgenommene Kreativität, also z.B. Wortakrobatik und ausgedrückte, assoziative Stärke, gibt es Untersuchungen, die Cannabis und Kreativität in einen engen Zusammenhang setzen. Dieser Zusammenhang würde der obig aufgeführten Studie sogar leicht widersprechen, da anzunehmen wäre, dass Cannabis nicht die Kreativität per se aber das divergente Denken fördern würde. Unter divergentem Denken versteht sich die Vorstellungskraft, also Inspiration, horizontaler Ideenreichtum.
Konvergentes Denken im Gegenteil ist vertikal, linear und beschreibt methodisch logische Denkmuster. [5] Eine Studie (2011 veröffentlicht) aus der englischsprachigen, wissenschaftlichen Zeitschrift Consciousness and Cognition widmete sich den Effekten von Cannabis auf die Kreativität. [6] Die Studienführenden waren beeindruckt, dass Cannabis sogenannte psychomemetischen Symptome hervorruft. Dabei handelt es sich um Symptome, die Fähigkeiten positiv beeinflussen, abstrakte Konzepte miteinander zu verbinden, was das divergente Denken auszeichnet. Um den Einfluss auf das divergente Denken mit Cannabis untersuchen zu können, teilten sie ihre Probandengruppe in „sehr Kreative“ und „weniger Kreative“. Beide Teile der Gruppe wurden vorher ohne Cannabis-Einfluss getestet und das Team setzte dabei Kreativitäts-Marker auf die verbale Sprachkompetenz, Fachkompetenz und Wortassoziation. Die Forschenden stellten fest, dass die „weniger Kreativen“ unter dem Einfluss von Cannabis dasselbe Maß an verbaler Kompetenz wie unbeeinflusste „sehr Kreative“ erreichten. Der Schluss liegt für das Forscherteam also nahe, dass die akute Cannabis-Anwendung divergentes Denken fördern könnte, auch wenn dies bei Anwendern zunächst nicht ausgeprägt sei. Jedoch ist auch hier vertiefender oder, ich würde sogar sagen, qualifizierender Datenbestand im Umgang mit Cannabis-Patienten notwendig, damit auch die langzeitliche, eindosierte Wirkung von Cannabis auf das divergente Denken studiert aufgeschlossen werden kann. [6]
Schlussfolgerung: Cannabis und Kreativität subjektiv empfunden
Auf Grundlage der neurochemischen Eigenschaften von THC wirkt Cannabis mit dem dopaminergen System, welches reguliert werden muss, damit die Beschwerden bei Tic-Tourette abnehmen, da hier meist eine Überfunktion vorliegt. Da die vorliegende Studie erklärt, dass Cannabis in der verbal gemessenen Kreativität vor allem „weniger Kreative“ in ihrem divergentem Denken fördert, jedoch laut der anderen Studie auch allgemein die Ideenoriginalität erhöht, ich mich jedoch bereits vor der Cannabis-Anwendung in divergentem Denken verlor, könnte Cannabis meine neurologischen Funktionen und die Kreativität positiv beeinflussen; durch die Dopamin-Regulation wird mein hyperfokussiertes Zwangsdenken, welches an meine Tics gekoppelt scheint, gebremst. Ich scheine dann auf ein konvergentes Denken zurückgreifen zu können, welches mir sortiert überhaupt Zugang zu einem zwangsbefreiten divergentem Denken ermöglicht, ganz ohne Tic-hafte Sprünge und ohne Ritualisierungen. Denn diese Vorgänge sind bei mir mindestens so assoziativ zu triggern wie mein kreatives Denken selbst. Dennoch legt die teilweise differente Studienlage um Cannabis und Kreativität nahe, dass noch mehr Forschung betrieben werden muss, um die komplexen Zusammenhänge von nicht nur Cannabis und kreativem Denken, sondern auch dem Bezug von Kreativität und psychischen Phänomenen und Krankheiten zu untersuchen. Schließlich wird Cannabis bereits bei psychischen Indikationen, wie auch Depressionen eingesetzt, obwohl sich vor Jahren noch Studien zum Freizeitkonsum und Meinungen konsolidierten, Cannabis würde Depressionen ausschließlich auslösen und sie nicht behandeln können.