Kostenloser Roman "Der Mondschall"

Kapitel 2 - Dr. Paquette

Erde, 14 Stunden zuvor – Kanada, Longueuil, John H. Chapman Space Centre, CSA

Wieder einer dieser typischen Montage. Rebecca Paquette kommt gerade aus der Toilette gestampft, nachdem sie das Waschbecken notgedrungen aufsuchen musste. Sie hatte ihren Kaffee verschüttet, derzeit war es ziemlich stressig im Space Centre. Da die Gründung der ELFA auf ein Team hochwichtiger, internationaler Wissenschaftler zurückgeht. Wenn sie zu Besuch sind, stehen die Sicherheitsvorkehrungen auf höchster Alarmbereitschaft. Streng genommen waren diese alten Patriarchen aber eher Mittelsmänner der großen Raumfahrtprogramme aus aller Welt. Gerade auch die Europäer, also die ESA, hatten ein zunehmendes Interesse an der Erkundung des Jupiter-Systems. So kommt es, dass der Stress in der ELFA-Direktion durch die internationale Besetzung der Teams amplifiziert wird. Als Kanadierin ist Rebecca verschiedene Sprachen gewohnt, auch liebt sie Diversität am Arbeitsplatz. Bei ELFA jedoch versuchen alle Nationalitäten Erfolge für ihr Land zu verbuchen. Besonders die US-Wissenschaftler und Controller arbeiten stark an ihrer Reputation. Die Mentalität in den Raumfahrtbehörden hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch stark in eine anti-kollaborative Atmosphäre verwandelt. Einer solchen Ellenbogengesellschaft wollte Rebecca nie beitreten, aber als Spezialistin für extraterrestrische Mikrobiologie ist die ELFA der wohl spannendste Arbeitsplatz für eine begabte, frische Wissenschaftlerin. Sie war auch Teil des Teams, welches die organischen Spuren in den Kryovulkanen von Europa bemerkt hatte. Die Sonde der Discovering hatte zwar nie den Boden erreicht, aber ihre Scanner konnten einige Partikel prüfen. So viele um genau zu sein, dass eine Fehlmessung ausgeschlossen war. Viele behaupten, die Discovering war ein totaler Fehlschlag, aber Rebecca wusste, dass es ohne die Discovering keinen weiteren Flug nach Europa gegeben haben würde. Die Missionen zuvor brachten bereits zu viele Fehlschläge. Als läge ein Fluch über Europa, kam es ständig zu technischen Fehlern, sobald menschliche Technik in die Atmosphäre des Jupitermonds einzutreten versucht. „Zut!“ Rebecca fluchte auf französisch, als sie an sich heruntersah und bemerkte, wie sie gedankenlos erneut etwas Kaffee beim Rennen auf ihre Bluse schüttet. Sie hat jedoch keine Zeit, um sich nochmal auf der Toilette einzuschließen. Ihre Kollegen hatten sowieso anderes zu tun, als über ihre Flecken zu urteilen. Der Grund für den ungewöhnlich hohen Stress, der ja sowieso schon geregelt hoch in der ELFA ist, kommt durch die neuesten Meldung aus Mission Control. Die permanente Überwachung der aktuellen Sleeper-Mission hat eine Asteroidengefahr gemeldet. Zu aller Überraschung fliegt das kosmische Geröll direkt aus der direkten Umlaufbahn von Europa auf die Sleeper zu, die sich nur noch hunderte Kilometer von der Eisoberfläche befindet. Ein unvorhersehbares Detail der aufwändigsten Raumfahrtplanung der letzten Jahrhunderte. Doktorin Paquette und ihr Team haben wenige Einblicke in das, was die Teams zur Flugbahnberechnung derzeit erörtern. Sie stellt ihre eigenen Vermutungen an, kommt aber leider nicht besonders weit, da sich auch kein Astrophysiker das aktuelle Phänomen erklären kann. Die Asteroiden kommen der Sleeper in einer bedrohlichen Geschwindigkeit nahe und die ELFA vermutet geschlossen, dass ihr Schiff starken Schaden nehmen wird – und das in weniger als 2 Stunden. Auch Commander Freuds Aufwachen konnte noch nicht initiiert werden, weil die technischen Funktionen auf dem Schiff zu großen Teilen beinträchtigt sind. Obwohl enorme Vorkehrungen gegenüber den technischen Ausfällen und der Radioaktivität des Jupiter-Systems genommen wurden, kommt es derzeit wieder zum drohenden Totalabsturz wie bei der Discovering-Mission. Rebecca läuft gerade durch die lichtdurchfluteten Glasgänge des ELFA Neubaus, als eine Stimme und laut stacksende Schuhe sie von hinten überraschen, „Bec, warte einen Moment! Du musst mit mir mitkommen!“ Paquettes Kollegin Serfa Lemay stürmt mit den Armen voll an Laptops auf die vollgekleckerte Rebecca zu, „Bec, du hast dich aber ganz schön eingesaut, egal wir müssen zu den anderen. Ich habe von der IT eben neue Rechner bekommen, die anderen sollen wir einfach direkt in den Schacht werfen. Auf der Hardware“ Bec unterbricht ihre Kollegin, während sie beginnt, Serfa hinterherzueilen, wie diese beim Erklären keinen Halt macht, „Serfa, halt – du meinst, das Programm wurde fertiggestellt?“, „Ja Bec, deswegen lass mich bitte ausreden – also, genau, wie du sagst, wir haben neue, leistungsstarke Hardware bekommen, mit der wir Simulationen auf Europa durchlaufen lassen können und das in weniger als einer halben Stunde!“, „Wow, das ist unglaublich. Aber sind die anderen Teams nicht alle eingespannt wegen den Asteroiden? Wie können wir da Ressourcen der IT beanspruchen?“, „Oh gut, dass du mich nochmal daran erinnerst, warum hier gerade die Hütte brennt. Das wäre mir ohne dich nicht mehr eingefallen!“ Serfa hat diese eklige Angewohnheit, in den brennendsten Situationen nie ernst zu bleiben. Eine Kompensation ihres Kindheitstraumas, vermutet Bec. Serfa ist in sehr ärmlichen Verhältnissen groß geworden. „Serfa bitte bleibe etwas ernst, du weißt, wie ich das meinte.“, „Ja ich habe aber keine Ahnung, warum wir die Hardware jetzt bekommen haben, vermutlich wird irgendetwas von uns erwartet. Also my hun“, Serfa spricht mit allen weiblichen Mitarbeitern auf diese niedliche Art, „bitte bereite dich schonmal auf alles mögliche an absurden Ideen, die aus Mission Control auf uns zukommen könnten. Vielleicht meint einer zu glauben, die Asteroiden wurden durch hypothermale Mikroben angetrieben. Vielleicht haben sie durch eine chemische Schwarmintelligenz sogar ein eigenes Bewusstsein? Es sind bestimmt Aliens Becca!“ Serfa blieb während ihrer Rede stehen und untermalte ihre Spekulationen mit wildem Fuchteln, das an den Wahnsinn von Pseudowissenschaftlern erinnern sollte. Dabei fällt einer der Laptops aus der Sammlung, die unter Serfas Arm klemmt. Dr. Paqeutte ist schnell genug, um ihn zu fangen, verschüttet dabei jedoch den restlichen Kaffee auf ihrer und Serfas Hose. „Ahhh Bec, egal, lass uns sofort in unser Büro. Ich habe den anderen Meldung gemacht, sie wissen also Bescheid und Luc schmiedet bereits erste Ideen.“, „Warum wir an dem ganzen beteiligt sind?“, „Nein, wie wir die Flecken aus unserer Kleidung bekommen!“ Rebecca nickt erst zustimmend zu Serfa, da der Stress sie etwas unaufmerksam macht, schüttelte dann aber schnell den Kopf, als sie bemerkt, dass ihre Kollegin sie auf den Arm nimmt, „Serfa stop it!“, „Natürlich, warum wir jetzt aktiv werden sollen – aber auch, welche biologischen Phänomene mit den Asteroiden in Verbindung stehen könnten.“ Nach etwa acht Minuten haben die beiden Frauen das Simulationslabor der Mikrobiologie erreicht. Luc Lawrence wartet bereits mit verschränkten Armen und läuft zwischen den Rechner-Pulten auf und ab, die in der Mitte des großgeschnittenen Raums platziert sind. Als er Serfa und Becca bemerkt, dreht er aus seiner Gedankenstarre ab und springt auf die beiden zu. “Luc lass uns bitte erst einmal ankommen.” Luc ist ein recht verspielter Charakter, der gar nicht zu seiner trainierten Statur und der blondschöpfigen Schönheitssegnung eines Gesichts passt. “Bec ich weiß, aber hört mir mal zu, mir wurde gerade eine neue Meldung gemacht, direkt aus Mission Control. Es ist scheinbar so dringlich, dass sie dort die Köpfe verschiedener Abteilungen einberufen haben, die zusammen Brainstormen.” Becca und Serfa schauten sich überfragt an. Serfa läuft etwas ungläubig auf einen der metallbeschlagenen Rechnerpulte zu und befreit sich von der Rechnersammlung, “Luc, haben wir irgendetwas damit zu tun? Hast du bereits eine Idee…”, “Ja Serfa, mir wurde es erklärt, sie haben Leben auf den Asteroiden entdeckt und die Asteroiden, nun ja – es sind eher Kometen, sie bestehen aus Eis. Es ist noch unklar, woher…” Auch Luc wird nun von Serfa zurückunterbrochen, “Warte sie haben Leben entdeckt? Im Eis, auf einem fliegenden Eisbrocken, der hinter Europa auftaucht? Verstehe ich dich richtig?”, “Nun ja, so wurde es mir gesagt.” Die drei schauen sich für einige Momente stillschweigend an. Wobei nicht ganz klar ist, ob alle aus Überarbeitung in die Leere starren, oder ob Becca und Serfa Luc sehr genau mustern. Befreit aus der Starre rennt Serfa zu den Laptops zurück, klappt einen auf und fährt ihn mit hektischem, mehrmaligem Presse auf die Starttaste hoch. Als sie bemerkt, dass das Betriebssystem startet, drückt sie Becca und Luc weitere Laptops in die Hand und fuchtelt mit der Hand, die nicht den Laptop umklammert, “Los ihr beiden, sofort mitmachen, wir gehen zu Mission Control!”, Rebeccas Augen werden groß. Sie ist überhaupt nicht vorbereitet und dort werden viele hochrangige Wissenschaftler stehen, die alle die kleine Mikrobiologie-Abteilung begutachten werden. Diese hellen Köpfe entwickeln Theorien und veröffentlichen Paper über außerirdische Giganten und komplexes Leben, feilen Dyson-Sphären aus und machen sich darüber Gedanken, wie man mit fremdem Leben kommunizieren könnte. Und Becs Team beschäftigt sich mit den Grundbauesteinen eingefrorenen Lebens. Eigentlich ist diese Arbeit ehrlicher und realistischer, wie alle im Simulationslabor finden, aber die größte Flagge zu außerirdischem Leben dürfen immer zu die anderen hissen. Wie Propheten des Fermi-Paradoxons werden sie in den Himmel gelobt. Außerdem hat Dr. Paquette ja ihren Kaffee über sich und Serfa verschüttet, das wird ein Trauerspiel. Die drei Mikrobiologen stürmen mit ihren Laptops voran durch mehrere automatische Doppeltüren. Serfa ist stark konzentriert auf verschiedene Daten, die Luc ihr direkt vom Haupt- und Nachrichtenrechner des Labors übermittelt hatte. Becca schweigt lieber, aber möchte Serfa am liebsten fragen, was sie von der Meldung über das fremde Leben hält. Eigentlich ist aktuell kein Grund zum Feiern, aber dass die Menschheit Leben im All findet, das ist eine Sensation. Serfa jedoch ist zum ersten Mal, seit Bec und sie in das Labor eingezogen sind, wirklich ernst. Kein Scherz und keine Unaufmerksamkeit entweicht der Dunkelhäutigen. Ihre wunderschönen, dunklen Augenperlen starren auf den grellen Bildschirm. Als sie bemerkt, dass Rebecca sie, statt Becs Laptop begutachtet, blickt sie zweimal kurz hinterinander zu Bec. Dann signalisiert sie ihr per Augenschweifen, dass es noch eine Tür bis Mission Control ist und Bec sich zusammenreißen müsste. Die beiden haben mittlerweile eine ganz eigene Sprache entwickelt, die auch Luc halbwegs versteht und sich daher immer etwas ausgeschlossen fühlt, “Hey Girls, wollen wir?”. Er stürmt durch die große Tür voran und die drei schreiten durch einen Seiteneingang in die pompöse Mission Control Halle. Sie wurde extra für politische und pressewirksame Ablichtungen oder Auftritte konzipiert. Viel zu viel unnötige Elemente, zu wenige Funktion, wie Bec findet. “Ahhh da sind ja meine drei Goldschätze!” Ein großer, bärtiger Mann mit einer Halbglatze wendet sich von seinen vorigen Gesprächspartnern ab. Er winkt diesen jedoch zu, ihm zu Bec, Serfa und Luc zu folgen, “Dr. Paquette, sie haben ihr Team geholt?”, Bec weicht seinem Blick etwas aus und muss sich ihr Unterlegenheitsgefühl verkneifen. Vor ihr steht Dr. Weith, einer der leitenden Astrophysiker, “Dr. Paquette, wir haben tatsächlich Leben gefunden, es schien der Strahlung von Jupiter auch einige Zeit standgehalten zu haben. So wie ihr Kollege Dr. Lawrence schaut, werden sie die Info wohl umfänglich erhalten haben. Wir brauchen also ihre Bestätigung, bevor wir die Meldung über die Entdeckung außerirdischen Lebens weiterleiten. Gerne würden wir direkt wissen, wie in aller Welt sowas überhaupt möglich sein kann.” Dr. Weith lacht laut und dreht sich kurz zu seinen Kollegen ab, “Ich werde Ihrem Team dann alle Ergebnisse unserer Berechnungen geben. Seien Sie gespannt, die Himmelskörper stammen nämlich allesamt von Europa selbst. Vielleicht hat ein Kryovulkan sie mit in den Orbit gefeuert. Das ist zunächst die Grundtheorie. Dr. Frank neben mir hier vermutet etwas anderes.” Er zeigt auf einen schmächtigen, blonden Mann mit Brille, der sich anschließend zu Wort meldet und dabei vorsichtig ein paar Schritte auf die Frauen zustammelt, “Nun ja, ich würde es nicht Theorie nennen.” Er lacht verschmitzt und räuspert sich dann, um nicht in Scham zu versinken,”aber es könnte auch sein, dass keine Wasserfontänen, sondern eine Explosion dafür verantwortlich ist. Also keine geothermalen Ursprünge, sondern große Ansammlungen organischen Materials, ausgeschieden durch Lebensformen. An den fliegenden Brocken haften auch jede Menge Sauerstoff und oxidierte Elemente, wie sie unter hohem Druck und bei stark exothermen Reaktionen auftritt. Ich spinne da vielleicht,” sein Ton scheint ernster und nachdenklicher zu werden, “jedoch würde ich nicht ausschließen, dass die Brocken in die Atmosphäre gesprengt sind.” Serfa findet ein Stück zu ihrer Kindlichkeit zurück, dreht sich um zu Luc, der niederschwellig hinter den Frauen steht, und runzelt die Stirn. Sie weiß nicht genau, ob sie über die Meldung lachen oder sich wundern sollte. “Luc, kannst du bitte die anderen aus unserem Team anschreiben, sie sollen bitte sofort in den Space Center kommen, keine Heimarbeit heute.”, “Verstanden, Serfa.” Er nimmt sich einen Stuhl von der Seite und verdaut sein Schweißtriefen, als er in Hochgeschwindigkeit am Handy tippt. Dr. Weith schien etwas abgelenkt von den beiden Biologen gewesen zu sein, sucht dann jedoch den Anschluss, um die verwirrte Rebecca weiter abzuholen, “Dr. Paquette, nehmen Sie sich bitte den Tisch dort hinten, sodass sie sich mit dem Rest meines Teams eng austauschen. Ich vernahm, der Rest ihrer Truppe wird bald erscheinen. Machen Sie sich dann ruhig auch den Tisch dahinter frei. Ich werde die Kollegen informieren, dass es kuschelig wird. Wir müssen jedoch alle dringend zusammenarbeiten.” Er schaut Bec tief in die Augen, als wäre sie für die stoffelige Mentalität in der ELFA verantwortlich. “Dr. Weith es ist mir eine Ehre, unsere Kompetenzen für so etwas Wichtiges zu verbinden. Glauben Sie mir, wir haben bereits Ideen. Geben Sie uns noch ein paar Minuten und wir werden Ihre Überlegungen auswerten und uns die Daten genau ansehen.” Dr. Weith dreht zufrieden ab und pfeift sein Team hinter sich her. Als sie aus dem Raum verschwinden, atmet Bec tief aus und dreht sich zu Serfa um, die grinsend hinter ihr steht. “Na du? Wir sind alle gestresst, Weith ist erstmal egal, kümmern wir uns um den Mondfurz.” Becca schnalzt genervt, “Serfa bitte!”, “Wir brauchen doch einen Projekttitel, wenn die Astros selbst keinen dafür finden. Aber gut, dann schauen wir uns diese Reaktionen an. Dass wir letztens eine Menge Ammoniak in der Atmosphäre gemessen haben, ist ja überhaupt der Grund, warum wir die Mission hier wagen. Ich habe die Scans auch schon angeschaut, diesmal sind es große Mengen Methan. Also gibt es irgendwelche Methanbildner auf Europa oder es wurde chemisch freigesetzt. Im Lichtwellenscan des Kometenschweifs wurden allerhand weitere Gase ausgewertet. Dabei sind auch Spuren bestimmter Proteine auszumachen. Für mich ist das alles eindeutig, die Systeme arbeiten bei sowas sehr zuverlässig.” Becca schaut Serfa tief in die Augen. Dr. Paquettes blaugrau stechende Murmeln sind leicht rot unterlaufen vom Kaffee, Stress und Schlafmangel, sodass Serfa kurz etwas erschrickt, “Serfa, wie meinst du, dass es eindeutig ist? Dass die Mikroben dort gelandet sind, könnte an allem Möglichen liegen. Wir dürfen uns nicht auf die Physiker verlassen, hier will man uns doch nur wieder vorführen, die Theorie von Frank ist nirgendwo schriftlich festgehalten.”, “Bec, erst einmal brauchen wir überhaupt Anhaltspunkte, mit denen wir arbeiten könnten, danach werden wir die Ideen vertiefen. Hast du weitere Ideen, wie das Leben auf dem Kometen gelandet sein könnte?” “SYSTEM 3 STARK BESCHÄDIGT!” Eine tiefe, verzerrte Stimme schallt durch die Halle, “SYSTEM 2 AUSGEFALLEN!” Luc schreckt auf und stößt fast gegen Serfa, “Leute, es geht los, die Sleeper…” Serfa und Bec schauen Luc fassungslos an, danach blicken sie auf den großen Bildschirm, auf dem verschiedene Elemente der Sleeper rot aufblinken. Commander Freud liegt immer noch im Kryoschlaf einige Etagen unter den Einschlägen. Das System hat jedoch bereits übernommen, verriegelt einige Schleusen und Brücken, und schiebt den Commander durch Notfallröhren zu den Shuttles. “Sie schießen ihn im Schlaf auf Europa, das wird ein absolutes Chaos werden.” Luc schreitet besorgt vor die Frauen, um das sich bewegende Lagebild der Sleeper zu überwachen, Serfa schreitet ein, “Sie werden ihn nicht abschießen, das entscheidet das System, wenn überhaupt. Solange er nicht wach ist…” Sie wird von sich in der Halle breit machendem Entsetzen unterbrochen. Die meisten Anwesenden halten ihre Hände vor den Mund oder stürmen auf den Bildschirm zu. Commander Freud wurde soeben mit der Awakening auf Europa entstandt. Rebecca schreit fassungslos zu Serfa und Luc, “Die Awakening? Warum die Awakening, warum wurde er losgeschickt? Die Mission… Der Commander!” Einige Zeilen Text tauchen auf dem Bildschirm auf. Der leitende Controller hat wohl Anweisungen bekommen und sendet eine Nachricht an die Awakening. Überbrückt wird das Signal von der Sleeper, da die Kommunikationsmodule noch intakt zu sein scheinen. Geschrieben steht dort “Meldung bei Ankunft”. Alle stehen sprachlos gebannt vor diesem Halbsatz, der sich nach Abschicken im Datenstrom verflüchtigt und durch sein dunkles RGB Muster einen leichten Schatten auf dem Bildschirm hinterlässt. Serfa schubst Bec mit dem Ellenbogen an, ohne jedoch die Augen vom Bildschirm zu nehmen, “So jetzt wird es 24 Stunden dauern, bis frühestens eine Nachricht zurückkommt. Hoffen wir nur, dass die Strahlung Freud nicht grillen wird. Machen wir uns also an eine Theorie, mit der wir dem Commander dann erklären können, dass seine Mission eigentlich schon abgeschlossen ist. Vermutlich wird es neue Anweisungen geben. Los los!” Die drei drehen sich ab und laufen zu dem Tisch, von dem aus die Astrophysiker unter Dr. Weith bereits unter Anspannung winken.

Alexandra Svenja Meyer ist Der Schnabel hinter Projekt & Poesieblog Schwarzer Flamingo und tritt bei Literarités und Poetry Slams auf, um poetische Performance zu nutzen und Menschen mit abstrakter, rästelhafter Poesie vertraut zu machen. Aufgrund ihrer dekonstruktivistischen und hermeneutischen Intentionen, welche sie hinter den rekursiv eingedeuteten Motiven auswachsender Pflanzen und formbehandeltem oder brechendem Glas einfasst, welche jene Motive sich im Ausfächern der Verständnisebenen eines Textes dynamisch verflechten, ist Alexandra auch als ‚Glasvasenpoetin‘ bekannt. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin und der Passion für moderne Poesie ist Alexandra als Cannabis-Patientin und Aktivistin für eine Entstigmatisierung von medizinischem Cannabis und dessen Patient:innen aktiv als Cannabis-Expertin auf Twitter. Für ihr Engagement und die kritische Aufbereitung von Cannabis-Studien wurde sie als Rednerin bei Cannabis-Veranstaltungen eingeladen und ist darüber hinaus politisch aktiv. Ihrem poetischen Schaffen widmet sie, nach eigenen Aussagen, das oben erwähnte Pflanzenmotiv unter der Inspirationsfahne von Cannabis in der Kunst. Aufgrund ihrer Erkrankung sei die Pflanze eine starke Stütze, durch die sie konzentriert in die begrifflichen Spiegelwelten aus gläserner Schreiberei eintauchen könne und von dort aus den Halm bis zur Knospe ihrer Inspiration erklimmt.
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