Wenn Bäume in Felsen graben
Meine Lebenswurzel in ihren Rätselpfaden gräbt und als Grotte oberflächlich mit grünbraunem Moos vergeht. Die Lust, Lebensatem auszukehren, ihn nicht in den wurzelnen Stollen zu verzehren, sondern die Luft im Grottenherz zu mehren, widerspinst meinem Mienenverstand. Auf felsenem Thron, so dachte ich, müsste ich mir keine Lieben außerhalb der Miene machen, da zusätzliches Gewicht an Halt verlöre und wir uns beim Stollenbau verkrachten.
Nun poltern brüchig die Blätter in ihr Moosbett und unter Tage bebt das Wurzelnetz. Der Stamm schon flau von Moos bewachsen und faulend Holz in den Boden starrt, in dem Rätselfinger verzweifelt um frische Luft schnappen, damit ihr letzter Griff das Rätselbild entscharrt.
Der Wurzeldruck die Stollen sprengt, als knöchernd Streben neue Tunnel stützten; eingeschlossen in schwarzsandigem Wurzeltrümmer greifen die schwachen Finger nach weisend Licht, doch erstickt die Sicht, da das Rätselwerk mich selbst mit Blindheit umschließt.
Ein junger Wurzelarm die stillgelegte Trauermiene streift und das unbelebte Erdnest mit Verwandtschaft bereist. Von meinem Stamme abgekommen, floh das Wurzelleben durch die Luft, zuvor zu viel am Graben und nun verliebt in den Flug. Das Rätseln wird bald atmen, von Astbahnen starten und sich nicht mehr im Wurzelschoß tarnen.
Und das Leben strömt von toter Erde in den Knospenschopf, wo Neugier auf ihre Blüte wartet. Es wird ein freier Tanz, in dem der Atem Leben und freie Finger Rätsel vererbend säen.
Kein Samen mehr müsste sich durch den Erdkadaver larven, ohne jemals in freibuntem Blätterschwingen aufzublühen.
Doch nach ein paar Jahren, als das Knospenmeer sich in einen Wolkenhafen hat verwandelt und just hochangesehene Fliegertalente empfängt, sehnt sich der Blick der Äste ab zum Moosfraktal, unter dessen Fell auch Rätselatem bebt. Denn in der Luft fängt ein Ästlein bloß den Hauch des vom Wind vertragenen Rätselstroms, doch unter Tage spürt es ihn so, dass er über die Erdkraft bis unter die Rinde wärmt.
Das Astverlangen durch die Moosschicht bricht, Stammesschwert am Wurzelgriff kippt und schließlich zwischen den Rätselwelten in einer Drehung durch den Boden schwingt; Blätterfalter ihre Kronen verlieren und mit braunbrechenden Windflossen durch das Moos schwimmen. Ihr Abtauchen sollte bald schon von blinden Lebenswurzeln verschlungen werden, welche sich lose im Erdall verlören und fresssüchtige Triebe der Rätselnacht gebärten.
Unter Tage, ohne Sicht und verschlungen, finden die Wurzeln nicht zurück ans Sonnenlicht. Ihr Hals liegt schon längst verloren in gieriger Moosschicht, die sich von allen Wurzelrätslern wohl am ausdauerndsten in die Erde sticht.
Ich von meinem Holzknochensarg aus nur ahne, wie das Astgebahne sich mit der Welt wieder vernetzt, doch spüre ich immer zu frische Pfade, die sich erblindend und erstickend durch meinen Rätselkokon suchend graben, da ich im Sturz meiner Lebenssäule nie mahnen konnte, welche Gefahren unter tauschimmerndem Moos warten.
Erst wenn toter Stamm kippt und erstarrter Wurzelkrampf das Moos überwächst, verhaken sich Astnachfahren mit den zu Tage geborgenen Erdahnen, um deren Leid zu verstehen;
mit wachsender Kraft stemmen Knospen, schnell zu jungen Bäumen gezogen, die Wurzelkrone zum Himmel auf, schultern ihr Erbe und lassen der Totenstammes Schneide hinab in die Erde.
Dort verweilt die alte, aufgebäumte Lebenswurzel nun, räkelt im Strom der Ferne, klammert sich in beide Richtungen an Himmel und Schwere, und erfährt in druckloser Abwesenheit anderer Elemente von Sonne und Erdkern. Die letzte Harzträne flieht in den Moostau, durch den auch Rätselatem farbschimmernd verlockend sich windet.